Das Ötzi-Projekt (Kupfergewinnung)

Chemie in den Kontext gestellt von Klaus Wloka
- ein Unterrichtsvorhaben in der Jahrgangsstufe 9 (Gymnasium) -

Schmelzofen Kupferschmelze Oetzi Rekonstruktion

Einstieg:

Eine Welt voller Metalle

Metalle begleiten uns im Alltag, sie spielen im Bereich der Geräte, Werkzeuge und Konstruktionen eine überragende Rolle. Was liegt also näher, als dass Schülerinnen und Schüler metallene Dinge aus ihrem häuslichen Umfeld mitbringen und vergleichend betrachten?

Metallsammlung

Jeder Schüler bringt drei Gegenstände aus oder mit Metall in die Schule.
Die Gegenstände werden auf dem Lehrertisch gesammelt und nach Kriterien geordnet, die die Schülerinnen und Schüler selbst festlegen, z.B..
  • Funktionalität (Gebrauchszweck)
  • Verbundmaterialien
  • Magnetismus (Fe,Co, Ni)
  • Elektrische Leitfähigkeit
  • Zusammensetzung (Legierungen)
Zum Prüfen und Sortieren steht ein Leitfähigkeitsmesser und ein Hufeisenmagnet bereit.

... und wie es dazu kam

Wie stellt der Mensch die Metalle her? Wie gewinnt er sie?
Diese Impulsfragen fördern das Vorwissen zu Tage, das in Schulbüchern entdeckt, vom Hörensagen oder in Fernsehbildern aufgeschnappt wurde. Der Begriff Erz als metallliefernder steiniger Rohstoff ist meist geläufig. Interessant sind die Antworten, da sie häufig die Fehlvorstellungen Erwachsener widerspiegeln:
   Das Metall wird aus Erzen erschmolzen (etwa wie Schmalz aus fettem Speck?)
   Die Metalle stecken im Inneren der Steine (etwa wie ein Kern in der Kirsche?)
   Metalle werden im Hochofen hergestellt (da hat jemand die "Sendung mit der Maus" gesehen.)

Mit einer Karikatur zur prähistorischen Metallgewinnung wird das Thema in einen geschichtlichen Kontext gestellt.



Ötzi Mumie "Ötzi", wie der Mensch aus dem Gletschereis am Alpenhauptkamm liebevoll genannt wird, soll den Weg weisen.
Wie hat er sein Kupferbeil hergestellt? Welche Stoffe benutzte er, welche Technik?

Ötzi - der Mann mit dem Kupferbeil

An dieser Stelle gewinnen die Schülerinnen und Schüler einen kleinen Einblick in die Lebensweise des Menschen, der vor etwa 5300 Jahre gelebt hat. Sie sollen darüber ein Infoposter (Lernplakat) erstellen. Eine ganze Reihe von Medien stehen dazu zur Verfügung:

  • Dokumentarische Filme, z.B. Der Ötztalmann und seine Welt auf DVD (ISBN 3-89627-851-2) oder
  • aus der Reihe "Wissen auf Video" VHS-Kassette vom ORF: Ötzi - der Zeuge aus dem Gletscher (ISBN 3-86148-643-1) oder
  • aus der Reihe "Spiegel-TV" Ötzi - der Mann aus dem Eis (ISBN 3-937163-36-0)
  • Informationen im Internet, z.B. bei wikipedia
  • Internetseiten mit Film- und Bilddokumenten des Südtiroler Archäologiemuseums
Die Auswertung der gesammelten Informationen bringt - bezogen auf die Frage nach der Kupfergewinnung bzw. -herstellung zweierlei Verfahrensvarianten: Der eine Weg bestand im Sammeln von mehr oder weniger reinen Kupfernuggets und dem Einschmelzen zum Formgießen, der andere in einer reduktiven Behandlung mineralischer Kupferverbindungen, wie sie im Malachit, im Azurit usw. vorliegen.

Ein Blick auf die historisch belegte Geschichte der Kupfernutzung zeigt, dass gerade im Zeitalter der Gletschermumie "Ötzi" ein rasanter technischer Fortschritt einsetzte:
  • 8. Jahrtausend v.Chr.: Kaltverarbeitung von gediegenem Kupfer und Malachit zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen, Ketten und Kosmetika
  • 6. Jahrtausend v. Chr.: Schmelzen von gediegenem Kupfer in Tiegeln in den Dörfern und Gießen von Gegenständen
  • 4. Jahrtausend v.Chr. (1. Hälfte): "Haushaltsmetallurgie" mit sekundären Kupfererzen der Oxidationszonen in Tiegeln im Dorf
  • 4. Jahrtausend v.Chr. (2. Hälfte): Metallurgische Aktivitäten in der Nähe der Erzlagerstätten in Öfen
  • 3.Jahrtausend v.Chr.: Belege für Verhüttungsöfen in der Nähe der Erzlagerstätten (Verhüttung oxidischer Erze)
  • 2.Jahrtausend: Verhüttung primärer Kupfererze (Sulfide) in einem mehrstufigen Prozess
Die Gewinnung von Kupfer aus Malachit sowie das Schmelzen und Gießen von Kupfer sollen im Unterrichtsprojekt nachvollzogen werden.

Ötzis Dilemma





Ötzis Freund hat Geburtstag. Er würde ihm gern ein Kupferbeil schenken. Er durchstreift nun schon seit Tagen die Berge, kann aber keine Kupfernuggets mehr finden. Der Mann versucht in Nachbardörfern Kupfer gegen Tierfelle einzutauschen, doch hat er leider keinen Erfolg. Es scheint an den bekannten Fundstellen keine „Kupfersteine“ mehr zu geben. Zwar hat sich mittlerweile viel grünes Gestein angesammelt, doch was kann man damit schon anfangen?

Was ist Malachit?

In Reagenzglasversuchen erhitzen die Schülerinnen und Schüler über dem Gasbrenner kirschkerngroße Stücke von Malachit. In Erwartung einer Bildung von rötlich glänzendem Kupfer werden sie enttäuscht. Tatsächlich entsteht beim Erhitzen des basischen Kupfercarbonats ab ca. 230 ºC Wasserdampf, Kohlenstoffdioxid und Kupfer(II)-oxid CuO.
  • Der Wasserdampf kondensiert im oberen Teil des Reagenzglases - die Wasserhypothese durch Schüler liegt auf der Hand, sie kann mit "Weißstein" (Kupfersulfat) verifiziert werden.
  • Schwieriger ist es, die Hypothese "Es entsteht ein unsichtbares Gas." zu initiieren. Hier ist die Lehrkraft gefordert. Der Impuls "Sprechen eure Beobachtungen gegen die Entstehung eines unsichbaren gasförmigen Stoffes?" ist an dieser Stelle legitim und führt zur Konstruktion einer geschlossenen Apparatur, mit der die Hypothese verifiziert werden kann. Das aufgefangene Gas wird dann als Kohlenstoffdioxid identifiziert.
  • Der schwarze Feststoff führt sie zu einer Kohlenstoffhypothese, die klar falsifiziert wird. Es bleibt die Fage, worum es sich bei der Substanz handelt - naheliegend ist die Vermutung irgendeiner Kupferverbindung. Die in der Sammlung vorhandenen Kupferverbindungen werden zum Vergleich herangezogen deuten auf Kupfer(II)-oxid hin. Ein Vergleich der Eigenschaften bestätigt, es ist Kupfer(II)-oxid.
Wie entfernt man nun den gebundenen Sauerstoff aus dieser Verbindung? Vorschläge werden in der Lerngruppe gemacht, diskutiert und verworfen, z.B. Magnesiumpulver mit seiner Gier nach Sauerstoff wäre eine geeignete Substanz, man hat schon den schönen Blitzlicht-Versuch mit CuO/Mg-Pulvergemisch erlebt, aber Ötzi besaß kein Magnesium . . .

Helfen die Fundstücke bei Ötzis Mumie weiter, oder die Überlegung, auf welche Materialien er damals zugreifen konnte?

Nun werden die kleinen Brocken Kupferoxid (Schüler nennen sie "gebrutzelten Malachit") zusammen mit Holzspänen, Holzkohle, Laub, Stroh oder Heu in weiteren Reagenzglasversuchen erhitzt. Diesmal gelingt es - alle Materialvorschläge waren gut!: Es entsteht ein roter Feststoff und weiter außen eine rosa-metallisch glänzende Zone: echtes Kupfer. Die Reaktion ist temperaturabhängig: bei 450 ºC entsteht Kupfer(I)-oxid (roter amorpher Feststoff) und bei 530 ºC bilden sich feine Kupferdendriten.

Die Produkte, die bei diesen Reagenzglasversuchen entstehen, lassen sich gut unter der Stereolupe betrachten.
Malachit-Reduktion   Malachit-Reduktion

Chemie verstehen

Welche Rolle spielen die eingesetzten Materialien bei diesem Versuch? Die Lerngruppe hat erkannt, dass die Wegnahme des gebundenen Sauerstoffs aus dem Kupferoxid der entscheidende Vorgang ist, sie hat den Begriff Reduktion kennen gelernt.
Auch ohne Kenntnis der Formelsprache lässt sich der Chemismus interpretieren. Dass bei der Verschwelung von Holz, Stroh und Ähnlichem, also bei der Erhitzung von (u.a. kohlehydrathaltiger) Biomasse brennbare Gase entstehen, haben die Schülerinnen und Schüler in entsprechenden Reagenzglasversuchen selbst erlebt. Dass diese Schwelgase aber in der Lage sind Kupferoxid zu reduzieren, ist ein neuer Aspekt.

Mit Methangas, mit Wasserstoff, aber auch mit erzeugtem "Holzgas" kann man im Reaktionsrohr sowohl Malachit umsetzen als auch direkt CuO-Drahtstücke reduzieren. Der entstehende Wasserdampf lässt sich niederschlagen und nachweisen, ebenso das Kohlendioxid.
Ebenso gut gelingt die Reduktion einer Kupferoxidschicht (z.B. oberflächlich oxidiertes Kupferblech) mit einer kleinen Wasserstoffflamme.
Damit wäre die chemische Seite - der Jahrgangsstufe angemessen - geklärt.

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ein Beil aus Kupfer

Nun wird in einem selbst gebauten Gebläseofen eine größere Portion Kupferstücke und -Nuggets aufgeschmolzen und in eine Form gegossen, deren innerer Hohlraum mit einem Holzbeil ausgeformt wurde.

Malachit-Reduktion   Malachit-Reduktion